Die Diskussion über Drive-Längen im Profisport bekommen durch die Verwandlung von Bryson DeChambeau zum Muskelprotz neuen Schwung. Die R & A warnt bereits, und auch Golflegende Jack Nicklaus hat das Problem längst erkannt.
Bryson DeChambeau hat die Profiszene kräftig aufgemischt. Seit Ende des Lockdowns staunen Kollegen und Beobachter („Welcher Arnold will er sein? Palmer oder Schwarzenegger?“) nicht schlecht über den neuen Körperbau des 26-Jährigen: muskulös, fast stämmig mit 20 Kilogramm mehr auf der Waage und mit unglaublich kraftvollen Drives. Seit Ende 2019 und während der Covid-19-Zwangspause nutzte der „verrückte Wissenschaftler“ die Zeit für intensives Krafttraining. Als die PGA Tour ihren Betrieb wieder aufnahm, kehrte DeChambeau nicht nur mit Golfbag, sondern mit Proteinshakes und als Kraftprotz zurück. Seither nimmt er die Plätze mit seinem auf 5,5 Grad Loft reduzierten Driver auseinander und führt in Sachen Driving Distance mit durchschnittlich 296 Metern. Die Driving Accuracy ist mit knapp 60 Prozent getroffener Fairways noch ausbaufähig (wie sein Wedge-Spiel). Speziell der Vergleich zu den Statistiken vor Corona ließ die Golfwelt aber aufhorchen: An die 320 km/h Ballgeschwindigkeit (vorher im Schnitt 281 km/h) und ein Längengewinn von durchschnittlich mehr als 20 Metern vom Tee. „Jetzt fliegt der Ball ohne Wind oder sonstiges wahrscheinlich um die 325, 330 (Anm.: um die 300 Meter) – mühelos“, sagte DeChambeau. Mit einem kräftigen Bounce und einem guten Roll verwandeln sich diese Bomben im Handumdrehen in Monster-Drives. Und dank seiner soliden Technik sind das keine Einzelfälle, es ist vielmehr sein neues Rezept. Mit Spitzen, die an den 390 Metern kratzen.
Der Wow-Faktor seiner neuen Stärke ist auch für die Kollegen unverkennbar. Rory McIlroy, weithin bekannt als einer der All-Time-Best mit dem Driver in der Hand, zollte dem neuen Longhitter der PGA Tour nach der gemeinsamen Runde bei der Charles Schwab Challenge großen Respekt: „Er hat ein paar Drives gehabt, bei denen Harry (Anm.: McIlroys Caddie) und ich uns nur angeschaut haben, und dachten: Holy s…, das war unglaublich! Auf der 11 hat er einen Drive gegen den Wind geschlagen – etwa 370, 375 Yards (340 Meter) – und mich um 40 Meter ausgedrived, und ich habe den Ball wirklich gut getroffen. Es war verrückt. Es war Wahnsinn. Es ist unfassbar.“
MATERIAL, GESCHICK & KÖNNEN
Seine kraftvollen Auftritte befeuern aber auch die Debatte um Schlaglängen-Regulierung. Golf-Legende Jack Nicklaus sagte im Rahmen der TV-Übertragung des Memorial Tournaments, es sei an der Zeit, dass die Führungsgremien des Spiels aktiv werden: „Die USGA und die R & A müssen früher oder später aufwachen. Sie können nicht länger ihre Köpfe in den Sand stecken. Sie sehen doch, wo diese Jungs den Golfball hinschlagen.“ Sein Lösungsansatz dreht sich um den Golfball: „Es ist sehr einfach, den Ball zu regulieren, darüber predige ich seit 43 Jahren.“ Damals sprach er zum ersten Mal über dieses Thema mit der USGA. „Leute, hört auf, zu studieren. Unternehmt bitte etwas“, wird er zwischendurch deutlich.
Martin Slumbers, Chief Executive der R & A, hat seinen Fokus auf das Thema geschärft und warnte bereits davor, die Parameter neu zu definieren, sollten DeChambeau & Co. die Plätze weiterhin mit einer Kombination aus Technologie und Leistung zerlegen – selbst wenn dies bedeutet, dass die Hersteller im Zaum gehalten werden. „Ich bin der Überzeugung, dass Golf ein Spiel ist, dass auf ‚Skills‘ beruht. Ein Gleichgewicht zwischen Geschick, Können und Technologie ist daher unabdingbar. Und wir müssen dieses Gleichgewicht zwischen Können und Technologie sicherstellen“, betonte der Engländer in einem Interview mit der „Daily Mail“. Der nächste Schritt im Rahmen des Reports zu Schlaglängen im Profigeschäft (Zusammenarbeit mit der USGA) ist aufgrund der Pandemie auch nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. „Sobald die Branche wieder stabil ist, werden wir das Thema mit großer Ernsthaftigkeit wieder aufgreifen.“ Die Botschaft ist aber klar: „Wir müssen einen Schlussstrich ziehen und uns intensiv damit befassen – weil wir der Meinung sind, dass es zu weit geht.“ Im Endeffekt geht es um Materialbeschränkungen, die aber durchaus weitreichender ausfallen können: „Es ist zu einfach, nur zu fordern: Verändern wir den Ball. Viel zu einfach. Es ist das Zusammenspiel zwischen Ball und Schläger, das für mich ausschlaggebend ist.“
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GOLF REVUE Ausgabe 3/2020