Cover Story | Abschlag

Kult & Charisma

Miguel Ángel Jiménez gilt in der Golfwelt als Kultfigur. Er versteht es, Golf nicht nur als Handwerkskunst zu betreiben, sondern kostet jedem Moment aus und ist für seine Joie de vivre berühmt geworden.

Kult & Charisma
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Sportler mit Ecken und Kanten

Sport ist heute fester Teil der Unterhaltungsbranche. Sogenannte Typen – also wahre Charakterköpfe und Sportler mit Ecken und Kanten – gibt es aber immer weniger. Auch im Golfsport wirken viele Profis wie oberflächliche Schnarchnasen mit einstudierten Phrasen. Miguel Ángel Jiménez bleibt aber sein eigener Herr. In einer Zeit von gestählten Muskeln und künstlichen Persönlichkeiten – einer von Superstar Tiger Woods geprägten Generation von Modellathleten – ist er mit seiner unvergleichlichen Art und seiner unscheinbaren Statur eine willkommene Ausnahmeerscheinung im Golfsport. Der Spanier liebt den Wettkampf, eine gute Flasche Wein – am liebsten Rioja –, gutes Essen, Zigarren und schnelle Autos und hält nichts davon, sich in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit zu verstellen. Heutzutage schon eine Rarität: Denn Typen, die mehr von sich geben als bloß immer die gleichen Plattitüden, sind bereits beinahe ausgestorben. Und Jiménez ist vor allem eines: authentisch. Oder in seinen Worten: „Ich verstecke mich nicht.“

Miguel Ángel Jiménez

Einst als „The Mechanic“ (aufgrund seiner konstanten Spielweise und weil er seinerzeit in einer Autowerkstätte zu arbeiten begann) bekannt, wird er heute zu Recht als der „interessanteste Golfer der Welt“ bezeichnet. Der 55-Jährige kannte nie Angst vor Shitstorms, einem angekratzten Image oder fernbleibenden Sponsoren. Er hat schon immer gesagt, was er sich denkt, und gemacht, was er wollte. Auch auf dem Golfplatz. Dabei ist er zumeist tiefenentspannt und versprüht mit seiner Aviator-Sonnenbrille und der qualmenden Zigarre einen ganz besonderen Charme. Auch bei seinem legendären Aufwärmprogramm gönnt er sich auf der Driving Range noch gerne seine Züge und wirkt mit seinen aufsehenerregenden Stretchingübungen neben den sportwissenschaftlichen Programmen seiner Kollegen fast wie ein ausgeflippter Sonderling.

Es macht auch auf dem Platz jedenfalls nicht den Eindruck, als würde der Andalusier sich quälen. Seine Konkurrenzfähigkeit wurde vielleicht deshalb unterschätzt. Neben dem Genussmensch Jiménez steckt in ihm aber auch eine andere Seite. Die Spanier nennen es cabezota – also „hartnäckig“ und „entschlossen“. Denn Ruhm und sein Standing als Publikumsliebling kamen nicht von ungefähr. Er fing mit 15 Jahren an, Golf zu spielen, und gleich nach dem Militärdienst entschied er sich für eine Karriere als Profigolfer. „Als ich als Profi anfing, war ich nervös. Ich hatte nichts und kam aus dem Nichts, und bei jedem Wettkampf stand ich unter großem Druck“, erzählte er einst der „Sports Illustrated“. Erstmals Tourspieler war er mit 25, und er würde nicht so lange dabei bleiben, wenn er das, was er tut, nicht lieben würde. Und dazu gehört auch, ständig zu trainieren. „Das sind die Dinge, die die Leute nicht sehen.“

Im Alter zur Höchstform

Immerhin hat er 2018 seine 30. Saison in Folge auf der European Tour (seine beste Platzierung schnappte er sich mit einem geteilten zwölften Platz beim Shot Clock Masters im Diamond Country Club) verbracht und gleichzeitig der US PGA Tour Champions – einer munteren Ansammlung von Golf Legenden – mit zwei Major-Siegen seinen Stempel aufgedrückt. Auch heuer schnappte er sich in den USA bereits einen Sieg bei den über 50-Jährigen. Der letzte volle Erfolg in Europa war sein Sieg bei der Open de España im Jahr 2014. Er ist damit der älteste Sieger der Tourgeschichte. Zudem war es sein 14. European-Tour-Titel, den er nach Erreichen seines 40. Lebensjahr gewonnen hat – von insgesamt 21. Wie sein geliebter Rotwein reifte Jiménez also auch erst im Alter zur Höchstform.

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